Haben Sie Justin Trudeau schon entdeckt? Ich auch nicht. Ein gewisses Maß an Feigheit muss ihm angelastet werden, erst große Töne gespuckt und dann bei der tausendfachen Gegenreaktion die Beine in die Hand genommen. Zisch und weg. An dem Punkt sind wir noch nicht angekommen, aber bei uns ist halt kein 16V-Motor im Karmawagen verbaut, sondern nur der Standard-1.6er, mit dem man bei Grün zwar vorwärts kommt, aber von jedem Rennschlitten ausgestochen wird.
Ja, wieder Autovergleiche. Drosten scheint das ja zu lieben, oder er weiß, was der durchschnittliche „Kartoffelalman“ so an Gleichnissen braucht, damit er drauf anspringt. Jetzt redet er von Variante BA.2 und ein paar PS mehr unter der Haube, und wieder mal habe ich das Gefühl, dass man statt fachspezifischem Gebrabbel nur noch mit Kindersprache ankommt. Auto geht immer im PS-verliebten Deutschland, vielleicht noch Handyverträge und Gaming-Slang, würde ich anbieten. Ein paar Brocken hingeworfen, und schon sind sie zufrieden.
Na ja, nicht alle. Kanadische Trucker oder alemannische Wanderfreaks nicht. Die wollen sich einfach nicht fügen, die Säcke. Ich liebe es. Der Kulturkampf, wer denn solidarischer ist und wer eben nicht, macht irgendwie Spaß. Vor allem, wenn man wie ich auf einer Seite steht und die Gegenseite mal reden lässt. Dieser militaristische Unterton aus der Mitte-Links-Bubble ist schon zum Schießen: „Solidarität! Jetzt! Jawoll! Gefreiter Ungeimpft! Ab zum Kartoffelschälen! Einzelhaft!“. Und das noch vermischt mit einer pseudo-elitären Stehpartyatmosphäre, bei der man sich mit Sektchen gegenüber steht: „Haaach, habt Ihr denn schon gehört? Dieser Querdenker-Pööööbel wieder. Jetzt laufen sie sogar freiwillig auf den Straßen herum. Wollen Freiheit und so. Freiiiiheit, hahaha! Hmpf. Hmpf. Hmpf.“. Ja, da gackern sie noch in Partylaune, danach müssen sie wieder in der Öffentlichkeit ihr Drehbuch ablesen. Politiker- und Funktionärssprech, und wenn sie noch einen Kater vom Millionärsssprudel haben, rutscht ihnen auch mal ein Arschlochbegriff heraus. Tyrannei und so. Hahaha haaaaach, wie neckisch, ihr seids mir ja ein paar Schäääälme...
Sie sehen: Ich habe wieder ganz gute Laune. Es waren harte Wochen gewesen, aber auch spannende, anders gewichtete. Mehr Diskurs, mehr öffentliche Stimmen, die man lange nicht sprechen lassen wollte. Streeck, Stöhr, Antes, Spaziergänger, die wenigstens nicht von allen Seiten fertiggemacht wurden und werden. Und dass man sich dabei von den Springer-Medien einfangen lässt – von mir aus. Dass man sich dabei von den Linken entfernt, ist mir auch schnuppe geworden. Ich rechne wohl nicht mehr in Ideologien, sondern in Zwecken, eng themenbezogen und wer welche vertritt, nach meinem persönlichen Gusto. Außer bei der AfD – die fasse ich nicht an, weil sie mir immer noch zu gerne in jenes Grenzgebiet ausschert, wo ich selbst Grenzen gezogen habe. Glaubt mir natürlich keiner mehr, und man ist schneller ein Nazi, als man „Stimmt nicht.“ rufen kann. Vielen, die so gestrickt sind wie ich, ergeht es genauso. Man lacht nur noch. Man winkt ab. Man nimmt die öffentliche Meinung an, die einen vertritt, und da es taz, Süddeutsche und die Öffentlich-Rechtlichen es nicht tun, tun es zum Glück andere. Hauptsache, es gibt ein Korrektiv zum Kollektiv. Die den Kampf um die Deutungshoheit wieder in die Mitte bringen.
Das ist nebenbei auch bitter nötig, weil man unter anderem jetzt über Nancy Faeser herumtitelt, sie hätte für eine windig-linksextremistische Zeitung geschrieben. Wir müssten reden, wenn man ein Extrem mit dem anderen ausstechen will. Es ist aber auch so, wie ich befürchtet hatte – rot-grün fühlt sich gerade beflügelt vom Wahlerfolg und senst sich durch die Reihen. Mit einer moralistisch-verbotsgeilen Agenda, die nicht nur darauf aus ist, den wahren Rechtsextremismus zu bekämpfen, sondern dem Linksextremismus Tür und Tor Richtung Mitte zu öffnen. Passt mir gar nicht, weil nun keine Ruhe einkehrt, sondern noch mehr Stress.
Herzog Söder-Wendehals ist dabei ein Windbeutel, wie er im Buche steht, und ich komme aus dem Lachen nicht mehr raus, dass gerade er, der Hartarsch vor dem Herren, den die Linken in der Lockdownzeit geradezu verehrt hatten, nun nach Lockerungen ruft. Natürlich wäre mir am liebsten, wir würden innerhalb kürzester Zeit den Maßnahmenklumbatsch endlich aufgeben. Die Daten gäben es her, aber in Deutschland windet man sich wie ein schlafender Träumer, den man kaum wachrütteln kann. Wir tuckern (Autovergleich!) mit 50 die Landstraße entlang, und jeder Öffnungskandidat mit skandinavischem, osteuropäischem oder englischem Kennzeichen hupt uns genervt beim Überholen an. Dass sich ausgerechnet Söder nun anschickt, das Steuer an sich zu reißen, um wenigstens etwas schneller zu fahren, ist schon erstaunlich. Egal – die Debatte ist eröffnet. Wegen der Öffnung. Also: öffnet endlich, ihr Säcke! Nehmt Eure Impfpflicht mit, die könnt Ihr euch gerne sonstwohin schieben. Ich mache mir diesbezüglich weniger Sorgen, weil es endlich wieder fließt. Nur unsere Bremsklötze Rot und Grün sind nicht gewillt... ach, lassen wir das. Es ist, wie gesagt: wie befürchtet. Jetzt müssen sie noch ein bisschen eingehegt werden.
Wie sich die Debatten verschieben, dürfte wohl jeder gemerkt haben. Wir haben mal wieder die Ukraine aus der Schublade gezogen. Auch die war wie die Grippe oder andere Krankheiten plötzlich weg gewesen. Man wollte keinen Krieg mit Masken anzetteln, was weiß ich. Und wieder reichte nur ein Foto, um für Unruhe zu sorgen – ein völlig zusammenhangloses Satellitenbild brachte die Sache ins Rollen. Das Bergamo des Ostkonflikts.
Gleichzeitig kehrt auch die woke Blase zum Tagesgeschäft zurück, aber mit Masken. Unter den Hashtag #letztegeneration wird es richtig klebrig (ja, wortwörtlich und auch sinnbildlich). Da pappen sich ein paar Klimaaktivist*:_innen auf den Asphalt, von Autobahnbrücken abseilen war doch ein bisschen „meh“, sich mit Klebstoff mit dem Asphalt zu verbinden ist natürlich viel besser. Vor allem bei Rettungseinsätzen, die wegen ihnen Straßen nicht passieren können. Sehr sinnig, von Solidarität zu quatschen und dann vielleicht einen vom Herzinfarkt Bedrohten verrecken lassen zu müssen, weil ein paar Aktivisten die Straßen verstopfen. Obendrauf die Krönung: Essensverschwendung anprangern, indem man Essen verschwendet und auf die Straße wirft. Nein, so wirklich überlegt ist da gar nichts, einfach nur die übliche Trotzigkeit und ein Effekt, der verpufft oder arbeitendes Volk gleich richtig auf die Palme bringt.
Um das nochmal richtig einzuordnen: Die, die nun auf der Straße kleben, sind genau die depressiv-verstörten Weltuntergangspropheten, die Sie für die Gesundheit am liebsten in den ewigen Lockdown geschickt hätten, die keine Ahnung davon haben, dass Viren eben auch eine Exit-Strategie haben, die jedes zivilisatorische Leben lahmlegen würden, weil für sie das Klima das einzig relevante Thema ist, die nichts von Genuss und Freude hält, weil alles so furchtbar schlimm sein soll. Kurz mal bei denen reingestöbert, und man trifft auf alte Bekannte, etwa die Hungerstreikenden, die bei Olaf Scholz antreten und mit dem Fuß auftreten durften. Doch die unbefriedigenden Antworten haben wohl die Schaumproduktion im Mund angeregt, und nun kommt der nächste Streich. Sie lassen sich sogar freimütig einsperren, wie sie sagen. Scheinbar zu allen Schandtaten bereit. Na ja, als Rentner oder Studierende hat man eh nichts (mehr) zu verlieren, nicht mal Selbstachtung oder Anstand und Respekt – war wohl nie vorhanden und wird dadurch auch nicht erreicht werden. Wie sagt man so schön? Ist der Ruf erst ruiniert, lebt´s sich gänzlich ungeniert.
Gefühlt läuft der übliche FFF-Klimathriller-Unterhaltungskiller mit einem langen Werbeblock mit zielgruppengerechtem Corona-Inhalt, und wenn der Film wieder einsetzt, hat man den Streifen zwei Minuten zurückgespult, damit man den Anschluss nicht verliert. Den hat man aber in dieser Schwemme von Bessermenschfilmen sowieso bald wieder vergessen, da lässt sich übrigens die ARD auch nicht lumpen und veröffentlicht Heuledramen mit schmissigen Titeln wie „Der Ranger – Paradies Heimat: Zusammenhalt“, verwurschteln Lokalpatriotismus mit Klima- und Tierschutz, und keiner blickt in diesen völlig austauschbaren Möchtegern-Aufklärungsmachwerken mehr durch. Ich denke nur: Ist das jetzt der neue Gemeinschaftsgeist? Ganz ehrfürchtig die deutsche Flagge hissen und den Obermoralapostel geben?
Wir werden also noch einiges hören und sehen von den „wohlstandsverwahrlosten Lifestyle-Linken“, die zu viel Zeit haben, ihre idealistischen Weltbilder gegen die zivilisierte Welt einzusetzen. Ob das dem Durchschnittsdeutschen schmecken wird, wage ich zu bezweifeln, weil nicht jede(r) seine persönliche Sicherheit für die Rettung der Welt aufgibt und eine innig-klebrige Beziehung mit Straßenasphalt eingehen will. Da dürfte ihnen auch nicht schmecken, dass Christian Drosten mit Autovergleichen ankommt. Das müsste ja auch ein Ende haben, wenn man das konsequent zu Ende denken würde. Es animiert zum Fahren von Feinstaubschleudern.
Ich muss an der Stelle einen Cut machen. Klima, NoCovid, Flüchtlingsströme, „Rumjegender“, Rassismus, Sexismus – das alles wird mir immer egaler, je angepisster und depressiver solche Aktivisten auf die Tränendrüse drücken und Maulhelden spielen. Ich würde ja vorschlagen, sie machen den ersten richtigen Schritt und verschwinden in die Wälder. Bauen sich Hütten, jagen ihr Essen oder suchen es selbst im Dickicht, leben ohne Strom. Das wäre konsequent. Aber ich befürchte, die würden die ersten Wochen nicht überleben – zu viel raue Natur, zu viel urban-zivilisierte Abhängigkeit. Wen würde es schon interessieren, wenn die in die Wälder abziehen und niemand bekommt es mit? Wie immer zeigt sich das Problem eher mit ihnen statt durch sie: die Absicht, Leute auf Lebensmittelverschwendung hinzuweisen ist prima, aber die Wahl der Mittel führt zu gar nichts außer Frust und Verwerfungen, die sowieso schon viel zu weit gediehen sind.
Und diese ereignisreiche Woche – wie soll ich die unter einen Themenhut kriegen? Vielleicht die ganz langsame Einkehr in die Vor-Corona-Ära, nachdem das Virus eine Ausnahmesituation herbeigeführt hatte, alles andere auf „Stop“ zu schalten und es sich jetzt langsam wieder da hin zurückführt, auf 2019 mit seinen Trendthemen, die nun wieder Einzug halten. Nur mit Corona obendrauf. Und das noch schlimmer. Mir dreht sich alles. Der Wahnsinn wird immer größer. Ich würde jetzt am liebsten den Trudeau machen. Weg hier. Gebt mir einen Lotto-Gewinn, aber zackig, damit ich den Scheiß hinter mir lassen und mich wieder auf das Leben einlassen kann. Diese lebensmüde Teil-Generation ist wirklich das Letzte, und hoffentlich bleiben es die letzten, dass mal wieder was Gescheites nachwachsen könnte. Aber da wartet schon die Generation C...
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