Ridley Scott kann machen, was er will. Seit ich das erste Mal „Alien“ (mit 13 glaub ich), „Blade Runner“ (später) und – na, was wohl? - klar: „Black Rain“ (giving a fuck about "Gladiator") gesehen hatte, ist der Brite für mich einer der besten seines Faches. Ich lege viel Wert auf Optik und Atmosphäre, und selbst in denen Schinken, die ich jetzt nicht so besonders finde, ist der Look doch sehr ansehnlich. Der Mann hat einfach ein Auge für gute Bilder.
Das war bei Regisseuren aus den 70ern und 80ern nicht selten der Fall. Und nicht selten entstammten die der Werbebranche, in der Style immer mehr an Bedeutung gewann – natürlich ein Gewinn für die zuvor auf harten Realismus setzende Filmbranche in jener Zeit. „French Connection“ war ausgelutscht, da musste etwas anderes her.
Nun ein Sprung ins Heute. Es ist doch toll, dass dem Film als solches keine technischen Grenzen mehr gesetzt sind. CGI sei Dank. Das schluckt zwar Produktionskosten wie Sau, aber man kann sich ganze Start-Ups und IT-Teams dafür einspannen, einem Streifen den entsprechenden Look zu verpassen. Klingt alles ganz super, frisst aber auch sehr viel Zeit und Ressourcen und entfernt sich sehr weit von dem, was Film eigentlich ausmachen sollte. Drehbücher, Schauspieler, Regie – das alles wirkt heute ein bisschen wie ein Alibi mit wenigen Grundzutaten. Schauspieler haben zwei Wochen Spaß vor Greenscreens, bevor der eigentliche Film in Form gegossen wird. Warum ich das alles vorplänkle, hat den Grund, dass ich kürzlich diesen Artikel las. Mein Regie-“Held“ ledert gewaltig über Superheldenfilme ab – sie seien „boring as shit with bad scripts“.
Thank you, Mr. Scott.
Es ist noch gar nicht so lange her, da suchtete ich mit meiner besseren Hälfte alle MCU-Filme durch. Das war quasi zum Einstieg in mein Disney+-Abo, und man kam bei der Schlagzahl an neuen Filmen kaum noch mit, da bot sich das eben an. Ich meine, es geschah so zwischen Phase Zwei und Drei, da begann der Kram, richtig öde zu werden. Boring as shit. Genau. You named it, Scottie. Iron Man war durch, Groot entwickelte sich zum ultimativen Stichwortgeber für die Nichtdenker unter den Cineasten. Höhö, i am Groot, höhö. Und der Rest läuft so ab wie schon angedeutet – mehr Effekte, mehr Explosionen, Figurenwürfeln und mehr oder weniger laue Sprüche. Scheint wohl auszureichen, eine Marke noch weiter zu treiben und die Kinokassen klingeln zu lassen. Man kann heute scheinbar alles mit den Leuten machen und ihnen hässliche Autos vor die Nase stellen – solange da VW draufsteht. Markensklaven, die ihren Unterdrücker noch selbst wählen dürfen, im Kino hat Volkswagen die halbe Branche assimiliert. Phase Vier folgt bald wie das alljährliche Golf-Modell.
Man muss aber auch froh sein, dass die Autorin des Artikels ähnlich denkt. Heute rechnet man ja vorsorglich damit, den nächsten Shitstorm zu lesen, aber Gott sei Dank sieht sie es genauso:
„[...]The characters felt half-baked, leaving more wondering questions about who they are rather than focusing on what they are doing. The crowded cast didn’t help the fact that these superheroes were lacking character development, [...]“
- und trifft für mich den Nagel auf den Kopf. Das Brimborium dominiert über den Inhalt, und der Weltenrettermythos wird bis zum Exzess ausgeschlachtet.
Und so leite ich über zur Metaaussage und meinen Hang, vieles gerne mal bis ins Detail durch zu sezieren. Zuerst: ja, auch wir Älteren sind gerne mal Fans von Stumpfsinn. In den 80ern waren die Actionstreifen die Marvels unserer Zeit. Oneliner, Knarren und Krawumm – dazu irgendeine recht eindimensionale Story samt Fleischbeschau von Muskeln und Titten. Die Wichsvorlagen der Arbeiterklasse, wenn man so will, Männerkram halt, und die passende, unanstrengende Ablenkung vom Stress des Dreischichtengeackers.
Heute dürfen wir Herren ja wenigstens noch am Grill stehen. Steaks und Tofuspieße wenden und uns in der Krise unseres Mannseins mit Superheldenfilmen erinnert werden, dass wir einen Penis haben und uns Barthaare wachsen. Krachen soll es immer noch im Kino, aber die Muskelberge sind heute verkümmert, der aufrechte Gang verlernt. Nicht mehr wichtig, gar toxisch männlich, nun müssen es Figuren sein, die eher auf ihre Identität reduziert werden - was sie sind, und nicht, was sie tun. Selbst ein Schwarzenegger oder Stallone wären nichts ohne das, was sie getan haben. Von mir aus krasse Wummen mit sich geschleppt und alles niedergemäht. Egal, ob es da pufft wie kleine „Mückenfurz“ oder Kanonenschläge. Dagegen waren die Bösewichte die Transporteure der Moral, weil sie unter bestimmten Motivationen agierten und dem Film wenigstens noch ein politisches Statement anklebten. So ein Thanos oder Dunkelelfen oder sonstige, platte Eroberer kratzen mich im Grunde gar nicht, und das passt dann zum allgegenwärtigen Alarmismus heutiger Zeiten, in denen jeder gleich die Apokalypse herbei beschwört und dafür ein passendes fiktionales Bildnis braucht – den heute typischen Sündenbock mit dem „Böse“-Etikett. Deswegen scheint es heute kaum noch möglich, einer Joker-Figur eine Tragik zu unterbauen, während das Nolan-Konterfei besser in die heutige Schiene passt. Nichts gegen Heath Ledger – der Mann hatte sich mit seiner Performance in die Filmannalen gespielt. Doch außer seiner Hunde-Allegorie, die er Harvey Dent am Krankenbett offenbart, hat dieser Joker gar keine Metaebene, sondern nur Zerstörungswut zu bieten.
Und so entspannt sich auch im Film ein Metakonflikt der Generationen, in dem der Nachwuchs in seiner desillusionierten Weinerlichkeit nach Halt sucht. Die Ersatzeltern sind dann nicht mehr die „Erzeuger“, sondern die Lückenfüller im Kontext der Gesellschaftsverwahrlosung, wo sich der Individualismus der Neuzeit als Kurzzeitbefriedigung des Egos herauskristallisierte. Die Jugend will endlich Beständigkeit, ein nachhaltiges Ziel. Die Kumpeleltern haben ihren Dienst nicht erfüllt, also braucht es andere Vorbilder. Und so füllen nun Filme und Serien diese Lücke, mit dem Versprechen, sie besser zu erziehen als Mama und Papa. Mit den Subgenres des Roadtrip-Movies und Coming-of-Age-Geschichten liefern sie heute massig Anleitungen zur Selbstfindung einer Generation. Als Gipfel unterwerfen sich neuerdings Hollywood oder Amazon neuen Diversitätsregeln und tragen somit nur noch mehr zur Identitätskrise mit moralisierenden Inhalten und Figurenzeichnungen bei.
Das Problem, das dabei entsteht, haben Sir Ridley Scott und Frau Miller richtig benannt. In den Filmen entwickeln sich die Charaktere einfach nicht. Man verplempert zu viel Zeit auf das Sein, und nicht auf das Tun. Die Drehbücher platzen von einer Scheinmoral, die man gerne in der woken Blase wiederfindet, die ebenfalls darauf setzt, Eigenschaften vor das Handeln zu stellen. Und das Handeln wird gerne als die Möglichkeit missverstanden, schlecht zu handeln. Es herrscht im Nachgang die Maxime „Wer nichts macht, macht nichts verkehrt.“ vor, und baut dagegen auf Eigenschaften, die nichts und niemanden wirklich weiterbringen. Was interessiert es mich, ob der Protagonist schwul ist? Ein gutes Beispiel für den richtigen Umgang damit sieht man etwa in den neuen Star Trek-Filmen, konkret in „Star Trek: Beyond“, Codename: Sulu. Kann man machen, muss man aber nicht. In der woken Blase würde man jetzt wahrscheinlich über eine Serie nachdenken, Dokus, Diskussionsrunden, alles, was geht. Doch ist dieser schwule Sulu ein Macher, kein Etikett. Wäre er nur der schwule Sulu, würde er wahrscheinlich nur zur Quote queerer Charaktere in Hollywoodfilmen taugen. Noch ein bisschen Kuscheln mit dem Ehemann, Spin-off als Familienserie – der „alte weiße Mann“ kann sich warm anziehen...
Eine Ellen Ripley/Sigourney Weaver hat nicht umsonst den Status einer starken Frau inne. Gerade Scott wollte unbedingt eine Frau als Hauptfigur, und er ließ sie an der Bedrohung des Alien-Monsters wachsen und wehrhaft werden. Noch deutlicher kam das bei „Thelma & Louise“ zum Tragen, zwei tragische Heldinnen im Dienste des echten Feminismus. So schließt sich der Kreis des Themas zum Regisseur, der als Pionier die Stellung der Frau oder eines fragilen Charakters ins Gegenteil verkehrte, als noch ein patriarchisches Familienbild vorherrschte. Scott hatte also maßgeblichen Anteil daran, Feminismus zu befördern und vielleicht sogar die Kehrtwende beschrieben, wann dieser ebenso toxisch werden könnte. Heute würde das mit einer ach so epischen Inszenierung und viel Tamtam zum Schlachtfest der Gefühle verkommen, und wahrscheinlich dürfte man die Heldinnen nicht mal sterben lassen. Man bräuchte sie noch. Für mehrere Teile, für noch mehr Emotionen und Krawumm in exotischen Kulissen und sich selbst in den Erfolgen und Verständnishudeleien suhlend. Aussage in gefühlt vielen solcher Filme: "Du bist gut so, wie du bist."
Und das ist wahrlich und unvermeidlich: „boring as shit“.
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