Der Pranger feiert seine Auferstehung. Dieses uralte, simple Holzgestell, das man mit ein bisschen Farbe für eine Lochwand für witzige Fotos benutzen könnte, hat nun einen geistigen Nachfolger erhalten: die Medien-Lochwand.
Aktuell sind wieder ein paar auserwählte Ausgestoßene dazu genötigt worden, und statt Prügel oder Peitschenhiebe hagelt es dumme Interviewfragen und Freistellung vom Arbeitsverhältnis. Mir wird es ganz anders bei dem Gedanken, dass mir das hätte auch passieren können, doch zum Glück bin ich bei einer Firma beschäftigt, die weder offiziell noch im Tête-á-tête mit unmittelbaren Kollegen Ungeimpfte an eben jenen Pranger stellt. Da kann einem Joshua Kimmich doch sehr leid tun, weil er nun, sich selber seines porentief reinen Status eines Public-Label-Liebling-der-Massen-Sportlers entledigend, ins gesellschaftliche Abseits manövriert haben mag. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass er dies aus Naivität ausgeplaudert hat. Ähnlich wie Tennisstar Djokovic, der mit den Medien hart ins Gericht geht. Na ja – bei dem Jahresgehalt würde ich auch die Klappe weiter aufreißen wie ich es bisher vermieden hatte zu tun. Immerhin konnte ich meine Bedenken im neuen Arbeitsumfeld offen kommunizieren und erhielt auch teilweise Zustimmung. In meiner alten Wirkungsstätte herrschte so etwas wie Statushudelei vor („Welchen hast du bekommen?“, „Lass dich doch impfen!“), was mich dazu veranlasste, mich lieber wegzuducken und Diskussionen zu vermeiden. Das galt übrigens für andere Aspekte im Arbeitsalltag genauso, und in solch einer Atmosphäre zu arbeiten ist einfach anstrengend.
Fast zeitgleich wie die haarsträubende Story des medienkritischen Redakteurs Ole Skambraks, der eben keinen Promistatus genießt und postwendend mit Faktenchecks und Beurlaubung in die Schranken gewiesen wurde. Kimmich indes wird noch ein wenig hofiert und zur Nachschulung im Seminar für das „öffentliche Narrativ“ geleitet. Ja, selbst Karlchen klingt hier wie der sorgenvolle Papa, der den trotzigen Sohn doch so sehr liebt, dass er ihm ein Aufklärungsgespräch anbietet. Aber wehe, da kommt so ein „irrgeleiteter“ B-Promi oder Standardmensch daher, dann kann der Gesundheitsökonom auch anders. Dann verschmilzt er mit der Shitstorm-Masse und rollt lawinenartig über die Kritik hinweg. Skambraks kann von gar nichts zehren und hat sich gleich vollständig mit dem Querdenker-Etikett belegt. So läuft es in der Welt: unfair, und auch noch mit einer Doppelmoral, die zum Himmel schreit. Wer da nicht das Potenzial mitbringt, mich zu bespaßen, der war mir vorher schon egal, und den kann man auch ohne Konsequenzen vollständig und mit allen Mitteln aus der Arena bugsieren.
Interessant ist es, wie sich Motivationen und der Kollektivzustand wandeln können. Die Zeiten von Aufklärung und stillschweigender Akzeptanz anderer Meinungen scheint nun, zumindest im öffentlichen Raum, endgültig vorbei. Mittlerweile weht hier ein anderer Wind, in der der Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, schon als unsolidarisch gesehen wird. Wenn ich nicht ständig aufgeschreckt wie ein angeschossenes Huhn durch die Szene flattere, bin ich schon ein ignorantes Schwein. Seltsamerweise kenne ich das umgekehrt – als ich in schwierigen Zeiten etwas unruhig gewesen war, wurde ich zur Ruhe ermahnt, was sogar zu Mobbing führte. Heute hat sich dies völlig ins Gegenteil verkehrt, und die Massenpanik ist nun gesellschaftliche Norm geworden. Ich könnte also gerne der Gesellschaft meine Erfahrungen mitteilen, aber die will niemand hören, wenn sie gerade mittendrin im Schlamassel steckt und in den fünf Phasen der Trauer noch nicht mal mit der Aufarbeitung begonnen hat.
Was jedoch am deutlichsten auffällt, ist neben dem Herdentrieb auch noch die mediale Kampagne dafür. Mit diesem Effekt, mit dem einfach alles, was die Bevölkerung zu denken und zu tun hat, eine neue Qualität verliehen wurde. Mit solchen CIA-Methoden lässt sich am effektivsten arbeiten, und die Mehrheit hat diese Form der psychologischen Kriegsführung gut angenommen. Man muss keine Waffen gegen das eigene Volk richten, nicht mal den Staatsapparat bemühen, wenn die Herde im besten (Un)Gewissen die Absichten des Staates exekutiert. Letztlich macht man nur noch Unterschiede im Nutzen für das Kollektiv – Kimmich hat eben noch den Nutzen für das zu bespaßende Volk, Skambraks nicht.
Solches Denken kann man wunderbar in der Gartengestaltung beobachten. Haben Sie sich mal Gärten etwas genauer betrachtet? Wo und wann haben Sie das letzte Mal einen wild gewachsenen Garten gesehen, den man eher hat machen lassen statt ihn ratzekahl wegzuschneiden und auf Golfplatzniveau zu begradigen oder betonieren? Oder gleich einen Steingarten anzulegen, wo etwa die Farbe Grün im Zeitalter Industrialstyle und Möbel in Betonoptik gar nicht mehr gern gesehen ist und jede Hecke nur Anstrengung bedeutet? Nein? Mir fällt es auch schwer, noch welche von der Sorte „natürlich und von selbst gewachsen“ aufzufinden. Und, wenn ich doch mal einen erwische: ich finde sie schön. In der Wahl zwischen Wuchern-lassen und komplett entfernen scheint man im Moment eher zu Zweitem zu tendieren. Und selbst darin muss man sich ab und zu aufraffen, den Wildwuchs aus der Kiesfläche zu entfernen.
Die Gruppe Porentief mag das alles nicht. Und wenn die dann doch Lust auf Natur hat, wird die Pflege zu einem Mammutprojekt, dem man mit allen verfügbaren Mitteln zu Leibe rücken muss. Rasen wird auf exakt 2,0000nullnullnull Zentimeter gestutzt und stichprobenartig mit der Schieblehre kontrolliert. Hecken sind jetzt viereckig, Bäume mitunter auch. Wegsteine dürfen nicht mal ansatzweise mit Natur überwuchert sein, sonst droht im Härtefall die Chemiekeule, und Gemüse muss in Reih´ und Glied stehen bzw. sprießen. Sicherheit und Büroästhetik haben hier absoluten Vorrang.
Was uns dann noch zum Querdenker unter den Pflanzen bringt – das Unkraut. Unkraut ist so etwas wie der Punk unter den Gewächsen: „Das System ist scheiße!“. Unkraut ist der Schandfleck in den Flaniermeilen, vielleicht sogar schlimmer wie Bettler. Sie pflanzen sich einfach so auf den Bürgersteig, klampfen auf ihren Holzgitarren herum und wollen mal ´ne Mark. Strubbelfrisuren Iro-Style mit knalligen Farben im Farbspektrum Löwenzahn, Klatschmohn und Kornblume – das verschandelt doch das Stadtbild. Spitze Patronengurte an Beiwuchs, stachelige Blätter in Nietenoptik. Da heute Punks nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen und von Pseudolinken abgelöst wurden, die gleichzeitig noch regierungshörig sind, sind nun die Querdenker, Aluhutträger und Verschwörungserzähler die Schandflecke für die porentief reine Flaniermeile des Denkens an ihre Stelle getreten. Irgendwen trifft´s immer, und immer die, die dem Mantra der Massen zuwider laufen.
So alt wie die Weisheit „Unkraut vergeht nicht“ ist auch der wellenförmig aufkommende Wunsch des Menschen, sich in irgendeiner Weise völlig gleichzuschalten. Macht und Ideologie sind dabei ein starkes Wertefundament, was in einer Gruppe prächtig gedeihen kann. Dass NoCovid und ZeroCovid ausgerechnet in der westlichen Wertegemeinschaft so stark propagiert wird, mag nicht nur am System liegen, sondern auch an der Freiheit, es auszusprechen. Dass solche Hirngespinste in einen Wahn führen können und die Evidenz der Vergangenheit und gleichzeitig der Gegenwart diese konterkarieren, wird dabei als Niederlage gewertet, und Verlieren ist keine Option. Nun passt das wunderbar zur Diskrepanz des Vertragsleaks von Pfizer, die sich von jedweder Verantwortung über Langzeitfolgen reinwaschen – zeitnah brachte die Debatte um Kimmich genau dieses Thema zutage, und nun sind Impfstoffe zu einem Wundermittel aufgestiegen, das mal schnell die Antikörper im Impfling abliefert und ohne Schadstoffe wieder verschwindet. Hirnvenenthrombosen, Myokarditits, Gürtelrosen und sonstige, nachgewiesene Folgen mit Rote-Hand-Aufkleber sind plötzlich aus dem Gedächtnis getilgt.
Mit ähnlicher Vehemenz nimmt man sich nun die Aussagen Kimmichs und Skambraks zur Brust. Sie und andere, die Bedenken anmelden, sind nun das Unkraut, das die Effizienz wie in der Agrarwirtschaft bedroht. Sollte das nicht fruchten, wird auch zu neusten Technologien gegriffen – Glyphosat ist eines der kontroversesten Beispiele dafür, und die Langzeitfolgen sind erst jetzt richtig erfasst worden: die Insektenpopulation hat durch das Gift stark abgenommen. Hätte Kimmich vor Jahren diese Bedenken angemeldet gehabt, hätten ihn die Bauern und das entsprechend produzierende Gewerbe wohl ähnlich angriffen. Langzeitfolgen hätte es auch dort keine gegeben, vielleicht noch untermauert durch selektive Veröffentlichung von gesponserten Studien via Monsanto und Co. Vielleicht hätten sie auch noch damit argumentiert, die Kritiker würden den Welthunger unsolidarisch ausweiten. Gleichzeitig wird Saatgut genetisch verändert, um gegen „RoundUp“ resistent zu sein – Die Analogie ist frappierend, mit dem Unterschied, dass wir noch nicht beim Insektensterben angekommen sind. Man kultiviert den Nutzen des Pestizids mit allen Mitteln, und erst Jahre später wissen wir, dass die Kollateralschäden immens sind. Ein direkter Vergleich zwischen Impfstoffen und Glyphosat mag da nun hinken, aber im Unwillen, Bedenken zu berücksichtigen, da ähnelt sich so einiges.
Ob sich das mit der Impfung genauso verhält, wissen wir nicht. Doch mehren sich Einzelmeldungen, in denen über frisch geimpfte Sportler berichtet wird, die plötzlich zusammenbrechen. Sollte Kimmich davon Kenntnis erhalten haben, zusammen mit dem Phänomen von Herzmuskelentzündungen bei jungen Männern, dann sind seine Bedenken diesbezüglich völlig in Ordnung. Natürlich wollen das die Spritztotalitaristen so nicht akzeptieren. Da muss nun das kritische und Bedenken anmeldende Unkraut, das zwischen dem Kiesbett im Steingarten herausragt, sofort entfernt werden. Dieses Schicksal wurde zumindest dem Ex-Angestellten des SWR zuteil (von wegen, Cancel Culture gäbe es nicht), bei Kimmich redet man im Moment noch gut zu.
Dafür ist der Pranger dann doch nicht geeignet und man versucht die humane Methode anzuwenden. Doch was ist die wert, wenn man sich der Doppelmoral schuldig macht und weiß, wie rigoros man gegen Kritiker bereit ist vorzugehen? Und sollten sie ihren Garten völlig eingehegt, auf gleich getrimmt und die Hecken rechtwinklig geschnitten haben, dürfen sie sich sicher sein, dass sie in Bälde wieder daran arbeiten müssen. Das Unkraut hält sich eben nicht an Grundstücksgrenzen und unterwirft sich nicht dem Willen zur totalen Viereckigkeit.
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