Grün und gelb – was assoziiert man damit?
„Grün ist ruhig und natürlich. Psychologisch verbinden wir mit dem Farbton Glück, Hoffnung, Leben, Natur, Zufriedenheit und Regeneration aber auch Unreife und Gift.“
„Gelb nehmen wir optisch als hell, leuchtend und entspannt wahr. Es steht für Heiterkeit, Wärme und Optimismus aber auch für Neid, Egoismus und Geiz.“
Zusammen, grün und gelb, denkt man vielleicht an Brasilien, an die Nationalflagge oder Fußballtrikots. Karneval am Zuckerhut. Olé, olé. Ausgelassene Stimmung. Und genau so lässig schienen die Gespräche bei den Vorsondierungen zwischen grün und gelb abgelaufen zu sein. Vier entspannt dreinblickende Politiker zeigen, wie harmonisch Baerbock, Lindner, Habeck und Wissing miteinander posieren können. Und bisher hört man nur von inhaltlichen Reizpunkten, die man per Brücke gangbar machen will. Der feuchte Traum für jede(n) Konfliktscheue(n).
Währenddessen grätscht die Wahlsiegerin SPD immer wieder in die frohe Runde hinein. Da werden schon Einladungen verschickt, als hätte man vergessen, für die Hochzeit die Briefe zur Post zu bringen. „Scheiiiiiße, die Trauung ist doch schon in drei Wochen!“, kreischt der Bräutigam und flitzt mit den Umschlägen zum Briefkasten. Gleichzeitig wird auch noch ein wenig gestichelt: Wetten, der Lindner macht wieder einen Rückzieher? Wetten, dass die SPD die Programmatik der FDP blockiert? Tante Esken und Onkel Walter-Borjans unter Mitwirkung ihres Berufskevins sind jedenfalls ordentlich dabei, die Lästertüte auszupacken und im Befehlston Loyalität, Zucht und Ordnung einzufordern. Würde mich persönlich sogleich abschrecken, und die vermeintlichen Juniorpartner dürften auch mindestens irritiert gewesen sein.
War da nicht was mit „Respekt“? Und schon ein paar Tage nach der Wahl zeigt die Parteiführung, wie sie es mit Respekt hält. In dem Zusammenhang interessiert mich die ehrliche Meinung der Grünen-Führung. Wird sie sich loyal zeigen? Findet sie es anmaßend? Mit Zuckerhut ist da erst mal nichts mehr, wenn ein paar autoritär auftretende Stinkstiefel die Party sprengen.
Zurück zur Farbenlehre, da wird die SPD auch sehr plastisch beschrieben:
„Rot ist optisch sehr nah, aktiv, warnend und prägnant. Es steht für Macht, Liebe, Leidenschaft und Feuer aber auch für Gefahr, Wut, Zerstörung und Zorn. Übrigens: In China steht Rot für Glück.“
Machen Sie sich selbst einen Reim daraus, was die Bedeutung der Farben mit der aktuellen Konstellation und Verhaltensmuster innerhalb der Parteien auf sich hat. Für mich passen sie wie die Faust auf´s Auge, positiv wie negativ korreliert. Dabei hat es schon was von Blockbusterserie, das Gekeife, Gestichel und Gehabe direkt nach der Wahl. Holen Sie Chips und Bier zur Hand, die ARD sendet den viel erwarteten Mehrteiler „Rotgrüngelb – Schlammschlacht um´s Kanzleramt“.
Das war diese Woche auch nur das Vorgeplänkel in Sachen „SPD an der Machtspitze 2.0“. Von Esken, Walter-Borjans und auch Kühnert habe ich auch nichts anderes erwartet, muss ich sagen. Auch hier wieder offenbart sich, was eine heftig linke Schlagseite im Boot der Demokratie bedeutet – die wahre, physikalische Mitte ist das jedenfalls nicht. Nun haben wir schon des Längeren die rechtsnationale Schlagseite aufgelöst, jeden Rechtsruck bisher souverän klein bekommen – nun schwappt das Schiff stark nach links und droht schon wieder zu kentern. Mittlerweile beschleicht mich das Gefühl, dass wir frei- oder widerwillig ständig von einer Seite zur anderen hetzen und so die Nussschale so oder so zum Kentern bringen werden. Allerdings werden das meine politischen Gegner anders sehen, sie werden von sich behaupten, sie würden die Balance halten. Mein eigener Kompass ist jedoch seit ´98 völlig durcheinander, und ich weiß nicht, ob das bezüglich heutiger Programmatik an mir oder doch an den politischen Fliehkräften liegt. Ich schätze mal zweites, weil ich in der Sache aus vergleichbarem Milieu viel Zustimmung erfahre.
Seit Schröder erwarte ich sowieso keine Überraschungen mehr. Grün kann gut mit schwarz, wie wir bereits wissen, Ampel geht ebenfalls, auf Länderebene. Und Christian Lindner ist wahrscheinlich froh, dass er mal keinen unhippen Greis vor sich sitzen hat. Das ist dann wohl unsere Verjüngung der Machtetagen, bisher haben wir immer mal gerne nach Kanada oder Neuseeland gelinst, einfach nur um die Altersstruktur endlich mal zu entkrusten. Hoffnung sollte es aber doch nicht geben – Jens Spahn, Andreas Scheuer, und wenn man noch mehr in die Kinderkrippe schaut, begegnen uns da Kühnert oder Amthor. Wenn das unsere politische Zukunft sein soll, kann ich mir auch gleich die Birne mit halluzinogenen Substanzen vollballern. Obwohl, in der jungen Garde, die den allmächtigen Asketengott anbeten, wird so was nicht so gerne gesehen. Schon gar nicht, wenn sie sich selbst als Grund für den Drogenmissbrauch identifizieren müssen.
Trotzdem hat man nicht das Gefühl, eine junge, dynamische Truppe würde hier voller Elan, Motivation und Weitsicht agieren. Eher scheint wichtig, Unterschiede in der Sichtweise in den Fokus zu rücken statt sich von Erfahrenen etwas sagen zu lassen. Perspektivisch gespiegelt sind die Erwartungshaltungen sehr hoch angesetzt. Und ähnlich verhält es sich im Politkaffeekränzchen – die alte Dame SPD ermahnt die jungen Hüpfer, sie sollen im Café mal nicht so gut gelaunt und laut dabei sein.
Und während in den oberen Etagen um die Macht gerungen wird, sitzen in der zweiten Reihe alte verdrossene Herren und wollen ihr Scheitern einfach nicht akzeptieren. Die internen Schuldzuweisungen und das unbeholfene Wirken nach außen kann man ebenfalls mit der Farbenlehre umreißen:
„Schwarz ist düster, dicht und massiv. Es steht für Unabhängigkeit aber auch für Trauer, Depression und Sorgen.“
Was sich uns hier ausbreitet, ist ein trauriges Bild zwischen Party und Leichenschmaus. Eine Harmonie kann auch dadurch zerstört werden, weil andere sie neidvoll betrachten und auf ihr Niveau herunterziehen wollen. Und das sind dann ausgerechnet die Wahlsiegerin und die, die nach Dekaden an der Spitze der Politik ihr schwächstes Ergebnis eingefahren hat. Man darf gespannt sein, wie sich diese Phase des Generationenkonfliktes entwickeln wird.
Vergesst also Samba, Caipirinha und Karneval. Willkommen in der politischen, mitteleuropäischen Realität.
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