In einem meiner Lieblingsfilme ist König Artus auf der Suche nach dem Heiligen Gral. Natürlich gerät die Suche zum völligen Fiasko und macht im Verlauf des Films auch keinen Sinn mehr, sehen er und sein Gefolge sich Gefahren und absurden Situationen ausgesetzt. Von blutrünstigen Karnickeln und unflätigen Franzosen behindert, verwässert der Film ab einem bestimmten Punkt zur Realsatire, bis irgendwann ein Polizeiwagen aufkreuzt und die von Gott Auserwählten abführt.
Macht man daraus eine Allegorie, ließe sich das ohne Probleme auf die Suche nach kompetenten Ämtern, Parteien und Einzelpersonen zurückführen. Und da leuchtete plötzlich der Heilige Gral inmitten eines schlimmen Gewitters auf der Turmspitze von Schloss Dosenschreck (Castle Anthrax) in Form eines in rot getunkten Wahlplakates mit der Aufschrift „Kompetenz für Deutschland“. Sir Galahad, der Reine, wahlweise die unbefleckte Wählerstimme, folgt der vermeintlichen Entdeckung und wird sodann von lüsternen SPD-Politiker:innen zur Wahlurne geführt/verführt.
Natürlich wird der nicht abgeneigte Sir Galahad nichts davon haben, weil der Söder-schwarze Sir Lancelot ihn vor „einer (roten) Gefahr“ warnt und aus dem Schloss zerrt. Das Rote-Socken-Schwert gezückt, schnetzelt sich Sir Lancelot durch ahnungsloses Wahlvolk, um Prinz Herbert Habeck zu retten, den er in seiner fehlgeleiteten Aufrichtigkeit für eine gefangene Prinzessin hält. Selbstverständlich hat das nichts mit der Suche nach dem Heiligen Gral auf sich. Der Vater Kretschmann von Prinz Herbert spielt die Fettnäpfchen von Sir Lancelot derweil beflissen herunter und scheint auch nicht besonders bestürzt über das angerichtete Blutbad. Selber schuld.
Der linke Sir Robin streift indes durch die Wälder von Ostdeutschland, hinter ihm sein Troubadour, Sahra genannt, der unentwegt und schonungslos ehrlich die Heldentaten seines Meisters besingt. Die sind inhaltlich natürlich völlig anders als sich der Ritter der Tafelrunde selbst gerne sieht, aber als es zum Gefecht gegen den dreiköpfigen Realitätsriesen kommt, sucht er schnell das Weite. Und so hallt es weiter durch das Dickicht: „Robin, brave Sir Robin!...“
Die meisten werden den Film kennen, und sich ein Gleichnis auszudenken, ist wahrscheinlich auch nicht schwer. Wo passt da Armin Laschet hin? Als den schwarzen Ritter vielleicht? Ist der deutsche Wetterdienst der Zauberei Tim, der die Helden gewarnt hatte und die vom Karnickel böse zerfleischt werden? Letztlich geht es mir auch nur um die Sinnfrage – nämlich dass es keinen Sinn macht. „Ritter der Kokosnuss“ folgt keinem klassischen Erzählmuster, auf ein Ziel läuft der Streifen nicht hinaus. Was mich dann wieder auf die Kompetenzfrage zurückbringt – macht es noch Sinn, danach zu suchen, wenn die heilige Macht der wahren Kompetenz von respektlosen Franzosen bewacht werden? Deutsche und Franzosen – diese Beziehung ist im Klischeeuniversum eh ein bisschen schwierig.
Das fängt schon beim Brötchenkauf an und endet bei den großen, globalen Aufgaben unserer Zeit. Wir sind, ohne groß drum herum zu reden, in einem Kompetenzvakuum gefangen. Kompetenz hat zuerst mit Wahrheit zu tun, mit Fakten und wie man mit ihnen umgeht. Mit wahren Antworten auf Fragen, und man fühlt sich doch gut, wenn die Verkaufskraft hinter dem Tresen im Bäckershop auch weiß, was in den Produkten steckt. Hieraus nährt sich die Kompetenz, die auch einem persönlichen Idealismus entspringt, mit Motivation und Begeisterung korreliert. Wer seinen Job liebt, der liebt auch das, was er vertritt. Ich denke, als Kunde merkt man das schnell.
Was sich jedoch Bahnen geschlagen hat, ist mit Kompetenz immer weniger zu vereinbaren. Da etwa beim Bäcker nebenan eher die Grundfunktionen aufrecht erhalten werden, Backwaren in Tüten zu packen und die Kasse zu bedienen, gerät der fachliche Aspekt immer mehr ins Hintertreffen. Wer will auch schon von studentischen Hilfskräften oder 450-Euro-Jobbern erwarten, dass sie sich abseits ihrer Absicht, sich ein Zubrot zu verdienen, auch noch Fachkenntnisse erwerben, die über das Bedienen und Kassieren hinaus geht? Ohne Langzeitperspektive leidet auch die fachliche Kompetenz, und das ist so tragisch wie verständlich. Es ist eine sich wiederholende Wundertüte, ob beim nächsten Einkauf noch dieselbe Person bedient. Die Kompetenz in Person der Langzeitangestellten wird ständig auf´s Neue gebraucht, wenn die 32. innerhalb eines halben Jahres neu eingestellte Verkaufskraft von Tuten und Blasen keine Ahnung hat und erst eingearbeitet werden muss.
Was bei den Backwarentanten und -onkel wenig bis gar keine Auswirkung hat, ist in der Politik verheerend. Annalena Baerbock musste das im Wahlkampf schmerzlich erfahren – da winkt man nicht ab und findet alles halb so wild. Ein falsch gesetztes Komma oder ein dreist-übertriebener Lebenslauf wird eben anders auf den Prüfstein gestellt als beim Nebenjob im Verkaufsladen. Ich bin jetzt nicht jemand, der sich auf jedes falsche Wort stürzt, bin aber sehr gegen Hochstapelei. Kompetenz kommt eben durch Handeln und Erlangen von Wissen (was eindeutig ausschließt, dass man nur davon gehört hat). Baerbock dachte aber wohl, dass Anwesenheit und Mitgliedschaft ausreiche, um Kompetenz zu beanspruchen. Das ist übrigens die Hybris, mit der sich die Wokeness Gleichbehandlung erhofft. Mit Eigenschaften und Etiketten zu arbeiten, um entweder sich selbst zu präsentieren oder andere herabzusetzen, sollte eigentlich nicht ausreichen, um Weltgeschicke zu lenken. Man wird immer noch am Handeln bemessen, das hat allerdings an Bedeutung verloren, weil es scheinbar reicht, sich durch Imagepflege und Selbstbeschilderung im Gespräch zu halten.
Bei einigen anderen Politikfiguren wird es zudem äußerst fadenscheinig und haarsträubend, wenn ihr Handeln der Bevölkerung schadet. Sie hätten etwa die Pandemie laufen lassen können und Tote in Kauf nehmen. Sie haben sich anders entschieden, und nahmen dagegen Spaltung, Depressionen, Existenzverlust und andere soziopolitische Folgen in Kauf. Das wird vielleicht kurzfristig gedacht keine Leben kosten, aber Lebensqualität und schleichend eintretende Krankheiten durch eben jene Negativbeeinflussung. Die Kompetenz wurde hier nur in einem Aspekt angewandt: im direkten Gesundheitsschutz, ohne die Konsequenzen ihrer Maßnahmenbeschlüsse überhaupt nur ein einziges Mal grundsätzlich zu überdenken. Im Gegenteil: sie trugen aktiv dazu bei, jede fundierte Kritik entweder zu ignorieren oder zu bekämpfen.
Von Maut-Debakeln und E-Scootern brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Andreas Scheuer hat wahrlich eine Bilanz aufzuweisen, die jeden bisherigen Negativrekord gesprengt hat. Sein Transparenz-Versprechen wurde auch gleich von ihm selbst wieder einkassiert. „Maximal mögliche Transparenz“, nannte es der Verkehrsminister – mit dem Zusatz „mögliche“ hieß das wohl, was er denn überhaupt zuließe. Von „maximal größter Kompetenz“ sah man jedenfalls nichts – das Treibsandprojekt PKW-Maut ist mit Selektivität, Steuergeldverschwendung und dummdreisten Rechtsbrüchen nur so gespickt. Der Lohn der Arbeit beträgt die kollektive Verwunderung darüber, dass er noch im Amt bleiben darf.
Diese und viele weitere Belege lassen sich anführen, um die Worte Politik und Kompetenz als Widerspruch in einem Satz zu belassen. An diesem Wahlsonntag ist dann ausgerechnet die Hauptstadt das Epizentrum von Inkompetenz und Überforderungssymptomen geworden und hat den besten Beweis angetreten, an welcher Stelle unsere demokratische Struktur fragil wird. Da schäumte sogar der Bundeswahlleiter, zurecht. Doch war dies ebenfalls nicht das einzige Versagen, das zum Backpfeifen-Verteilen animieren müsste. Die politisch betriebene Wohnungsnot, BER, unverhältnismäßiges Eingreifen der Polizei bei Demonstranten – die Liste ist lang und einer Hauptstadt unwürdig.
Das alles (und noch viel mehr) würde aufgearbeitet werden können, wenn man die Probleme auch mal konkret benennen und in einen Gesamtkontext bringen würde. Doch scheint daran kein Bedarf zu bestehen, wenn man sich mit Ausflüchten und positiver Stimulation das Schlechte auszublenden versucht. Beim Bäcker würden sie sich dann mit Siegeln schmücken – „bester Bäcker der Region“ oder „Attraktiver Arbeitgeber“ etwa, was eine kognitive Verzerrung geradezu begünstigt. Kunden gehen dann entweder mit einem Vertrauensvorschuss oder einer besonderen Erwartungshaltung einkaufen. Bewerber rennen Türen ein. Nicht selten ist die Realität jedoch eine andere.
Wenn ich 10 Brötchen bestelle, möchte ich auch 10 Brötchen in der Tüte haben. Ich will weder Croissants darin vorfinden, die ich nicht bestellt habe, noch will ich für 15 Brötchen bezahlen. Wenn es nur darum ginge, hätte ich wahrscheinlich als Bürger noch genügend Einfluss darauf, dass die Bestellung korrekt ausgeführt wird. Doch herrscht hinter dem Tresen das totale Chaos vor – viele Köche verderben den Brei, und eine echte Kompetenz wird auch immer schwieriger erkennbar sein, wenn dir mehrere Tresenkräfte vorgaukeln wollen, du hättest dich missverständlich ausgedrückt. Als ob „10 Brötchen, bitte.“ so schwer zu verstehen wäre. Irgendwann in dieser Entwicklung haben sich die Dinge derart verselbstständigt, dass es fast schon zum guten Ton gehört, die Schuld dem Käufer in die Schuhe zu schieben. Am allerdümmsten wird es jedoch, wenn der Käufer sich dies für seine eigene Inkompetenz zu eigen macht und es sich wie ein Lauffeuer verbreitet, fast schon zum gesellschaftlichen Konsens wird.
Auf der Suche nach diesem Heiligen Gral wird der Streifzug zur Detektivarbeit, die immer weitere Schichten zutage trägt. Man muss dem schwarzen Ritter allen Respekt zollen, dass er einfach nicht aufgibt, auch wenn ihm alle Extremitäten fehlen, und Killerkarnickel sollte man tunlichst nicht unterschätzen. Es bleibt nur noch die Hoffnung, dass der alte Mann an der Brücke des Todes endlich alle Beteiligten in die Schlucht befördert und nicht sich selbst, weil man ihn ausgetrickst hat. Das Chaos, das der Film birgt, kann nur noch dadurch abgeschlossen werden, indem man das Bild komplett schwärzt und ganz Ray Charles-like eine Orgelmelodie einhackt, die ganz nett klingt, ein bisschen witzig-locker. Augen zu und Jammen, alles nicht mehr so ernst nehmen. Den Sinn des Lebens sucht man eben nicht im falschen Messias. Kaufen wir uns ein schönes Gebüsch und dann noch eins. Es werden uns noch genügend Hexen begegnen, die das Gewicht einer Ente haben und denen wir auf den Leim gehen könnten. Schließlich wird es immer kurz vor Erreichen des Ziels Franzosen geben, die einen von oben herab beschimpfen.
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