Wie schon zuvor vermerkt, bin ich dem Italiener-Sein wieder ein Stück näher gekommen. Die Pigmente schoben Sonderschichten, das UV-Licht hätte mich fast dazu gebracht, mir eine Solarplatte auf die Schädeldecke zu zimmern. Ich hätte halb Berlin mit meiner Bräunungsaktivität mit Strom versorgen können.
Dazu gab es ganz grün- (genauer: grüner Pass-) adäquat viel zu erleben bei den alten Römern. Ein weiterer Hauptstadt-Checkpunkt kann nun wieder von meiner To-Do-Liste gestrichen werden, Kolosseum (für Fans von Gesteinsbrocken im Arena-Antlitz), Forum Romanum (für Fans von Parkanlagen-umsäumten Gesteinsbrocken) und Pantheon (für Fans von intakten Gesteinsbrocken) haben wir in zwei Tagen durchgeackert, dass selbst der Schrittzähler auf meinem Handybildschirm begann zu japsen. Dazu gab es apulische Weitsicht, Bergromantik und ein bisschen Toskana in Marken-Qualität. Auf der Adriaseite findet man dieses Zypressen- und Bauernhof-Antlitz nämlich auch.
Kurzum: es war der erhoffte Tapetenwechsel geworden, der sofort auf mich abfärbte. Was mich jedoch nicht davon abhielt, auf einer hohen Klippe mitten im Conero-Naturpark das Smartphone auszupacken und das politische Geschehen zu verfolgen. Am liebsten hätte ich dort oben kein 4G-Empfang gehabt, aber so blieb mir keine Sekunde die nächste haarsträubende News aus der Heimat verborgen. Hätte ich doch nur in Deutschland Urlaub gemacht, da klappen wenigstens noch die Funklöcher. Andererseits: momentan wäre es fast fatal, sich allzu sehr vom Weltgeschehen zu entfernen und zuhause einen Schock erleben zu müssen.
Als dann noch zufällig die News in meinem Ticker aufploppte, dass die EU-/G20-/wasauchimmerfüreineVerschwörergemeinschaft-Gesundheitsminister in Rom über weitere Beschlüsse „ratschlagen“ (oder doch eher Rad schlagen?) würden, die Innenstadt örtlich abgesperrt war und ganz Hollywood-reif eine schwarze Wagenkolonne mit „United States“-Schildern auf dem Armaturenbrett an uns vorbeibretterte, dachte ich nur: „Hoffentlich erwischen wir den Spahn irgendwo. Dem würde ich zu gerne den Marsch blasen.“. Meine bessere Hälfte stöberte dann zuhause in seinem Facebook-Profil herum und fand heraus, dass Spahn tatsächlich nur wenige Stunden vor uns den Trevi-Brunnen besucht hatte. Schade.
Blieben mir also wieder nur die Postings und viel Aufregerpotential, was ich Gott sei Dank auf die Momente der Kenntnisnahme beschränken konnte. Vielleicht noch einen Kommentar abgesetzt, aber dann wieder auf´s Eisessen und Staunen konzentrieren – das klappte in der Regel ganz gut. Zuhause drehte sich das Karussell des Wahnsinns unbeirrt weiter. „Pimmelgate“ macht die Runde, und wieder mal zeigt ein SPD-Politiker, was es bedeutet, in der Partei von „Ich weiß von nichts“-Scholz und „Ich will Gesundheitsminister werden!“-Grisu-Lauterbach Mitglied zu sein. Nicht nur, dass die Hypersensiblen nun auch die Politik gekapert haben, sondern dass sie auch noch ihre Machtbefugnisse genau so gut anwenden wie Despoten in Schurkenstaaten. Bei so viel roter Linienübertretung sehe ich nur noch schwarz...
Das ist nicht mehr witzig, es ist nicht mehr traurig, es ist auch nicht mehr grotesk – es ist ernst. Übelst ernst. Und kein Spaß mehr. Was prima überleitet zu Böhmermann. Welches Brechmittel muss ich denn noch schlucken, dass ich es ihm treffend ins Gesicht kotzen kann? Man muss Markus Lanz unendlich dankbar sein, dass er sich bezüglich Kekulé und Streeck sehr konsequent geäußert hat. Und dass sich da augenscheinlich die Sendersparten schon selbst die Augen ausstechen, nehme ich wohlwollend zur Kenntnis. Bisher hatte ich das Kollektiv des ZDF als sehr opportunistisches wahrgenommen, aber diese Podiumsdiskussion war eine Zäsur. Was hat Böhmermann eigentlich, dass ihm solche Sätze entfuhren? Einen an der Klatsche? Hat er Polizei? Völlig das Maß verloren? Wenn Sie mindestens eine dieser Fragen mit „Ja“ beantworten können – schmieden Sie erste Pläne für die Flucht. Dass man Böhmermann trotz diverser Anmahnungen nicht völlig den Saft zu seinem berühmten „Ziegenficker“-Gedicht abgedreht und ihn gar ins Hauptprogramm geschubst hat, war wohl der Ritterschlag zum Freidrehen. Flankiert von Oli Welke und Christian Ehring hat sich nun die Hofnarrengarde völlig auf Querdenker-Dreschen eingestimmt und huldigt dem Kult auf der Südhalbkugel. Die haben Polizei, und die kann auch anders, wie man in Australien beobachten kann. Derweilen sinniert unser höchsteigener Baldian-Himmler darüber, wie viel Polizeistaat man machen kann, ohne dass es wie Polizeistaat aussieht. Kannste dir nicht ausdenken...
Noch bin ich zu selig gestimmt, um dem Ganzen allzu angst-, wut- und frusterfüllt zu begegnen. Diese zweieinhalb Wochen war trotz des logistischen Aufwandes, ob und wie man sich einen Altnormal-Urlaub gestalten kann, eine Wohltat für die Seele gewesen, und die Eindrücke wirken auch noch nach. Dazu blicke ich dem anstehenden Arbeitsplatzwechsel freudig entgegen. Dies als persönliches Ausgleichsgefühl kann momentan vieles besänftigen, aber wie lange hält dieser Zustand noch vor?
Als wir in die Ger-Manie zurückkehrten, blitzten uns auch schon wieder die ersten Stinkstiefelsituationen entgegen, die wir noch unter unseren Eindrücken weglächeln konnten. Da nun auch die Böhmermanns, Grotes, Kretschmanns und Spahns dieser Nation ihre Gleichschaltungsfantasien ungehindert weiterführen können, werden Auswanderungs- oder Fluchtgedanken immer konkreter. Gerade wenn man sich Dänemark, Schweden und andere Staaten betrachtet, die irgendwann mal gesagt haben: „Jetzt ist aber auch mal gut mit Pandemie.“. Und was haben wir? Drittimpfung, Viertimpfung, Schwangerenimpfung, Kinderimpfung, Impfung von Hauswänden und Gesteinsbrocken, die potentielle Virenüberträger sind. Ich hoffe, dass wir bald die magische Zahl von 180 Prozent erreicht haben, dass man hierzulande die Pandemie als beendet erklären kann. Bis dahin stellen wir uns eben darauf ein, dass jedes halbe Jahr die Notlage jeweils wieder verlängert wird. Das ist das einzig Berechenbare in dieser Krise. Man verlängert sie. Die Quoten für Wetten darauf sind niedrig. Ihr könnt auch darauf wetten, dass ich nach Kraft und Möglichkeit weg bin. Sei es ganz oder nur zeitweise. Das ist im Moment so ziemlich das wichtigste, was mich am Leben erhält. Und hoffentlich nächstes Jahr die Möglichkeit, wieder in den Süden zu entkommen. Vielleicht habe ich dann den Mumm oder die Gelegenheit, endgültig die Segel zu streichen.
Das wäre dann wohl der wahre Tapetenwechsel.
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