Eines gibt mir bei all den Panikmeldungen in den letzten Monaten immer noch etwas Mut hinzu: Selbst ist die Hilfe. Was die helfenden Bauern gerade an der Ahr verzapfen, geht auf keine Landratshaut, sie fahren mit jedem ausgewiesenen Krisenkoordinator Schlitten. Da wird aus nur einem Motiv geholfen: weil Menschen Hilfe brauchen. Da wird nicht erst noch Ene-mene-miste gespielt, welcher Helfer wie viel Erfahrung intus hat und welche Zertifikate er vorweisen kann, der dann an der Ortsgrenze durchgewunken wird. Einfach machen, sich selbst verwalten und alles in die Wege leiten, was nötig ist – und zwar pronto. Das ist gelebte Kompetenz, die man sich noch nicht mal auf Glitzerpapier an die Wand genagelt hat.
Betrachtet man sich jedoch den offiziellen Apparat, wird es ganz schnell düster im Sonnenstaat. Arsch auf Grundeis, sag ich nur. Der Landrat Ahrweiler in der Daumenschraube der Staatsanwaltschaft Koblenz, und das mal ganz fix, nur wenige Wochen nach der Flut, und das für eine Schlaftabletteninstitution, die erst jedes Wort über ein Thema zweimal umdreht. Hui, das kann ja heiter werden! Währenddessen werden die Landwirte zu Krisengesprächen geladen, äläbäätsch.
Ich verfolge das immer noch und bin anschließend ein bisschen traurig, dass das bei Corona nicht so gehandhabt werden kann. Mir wurde bei meinem Hang zum Kommentieren in den sozialen Medien schon die „Kompetenzdiktatur“ als Totschlag-Gegenargument entgegen geschleudert, obwohl ich nie von einer drohenden Diktatur gesprochen hatte. Ist schon ein Weilchen her – getriggert hatte es mich nur in der Weise, weil sie schon im vorauseilenden Eifer dagegen wettern und erwarten, dass jeder kritische Kommentar automatisch das Wort Diktatur beinhalten würde; als gäbe es dies gerade im Supersonderangebot. Wie auch am Sortiment von Kik gehe ich an sowas lieber vorbei. Zu billig. Zu giftig. Die Kompetenzdiktatur wird gerade an der Ahr ausgeübt. Und die heißt nicht Landrat, MdB, Virologe oder Gutachter.
Bei Corona wird allerdings nichts diktatorisch fundiert ausgeübt. Diese Diktatur ist nur pinke-pinke-basiert. Geld regiert immer noch die Welt, Wählerstimmen sind die Währung. Nicht die Gesundheit, nicht die Solidarität als allgemeingültiger Begriff. Alles davon hilft nur wenigen oder bestimmten Menschen. Und da manche nicht damit klar kommen, dass Gesundheit und Solidarität auch eine eigenmächtige Entscheidung ist, wird nun tatsächlich totalitäres Gedankengut offen ausgesprochen. Impfpflicht. Gettoisierung. Je spruchreifer das wird, desto eher schnappt sich die Regierung das Stöckchen und wirft es, damit Hundchen Aufrechtbürger beschäftigt ist. Hechel, flitz, schnapp, zurückbring. Haddu feiiiin gemacht!
Hundehaltung und -vereine. Eine Subkultur, die der Jawoll!-Deutsche liebt. Kenne ich etwa von Verwandten, die immer Hunde bei sich hatten. Loyale und hierarchisch anständige Tiere. Von Katzen behaupten sie gerne das Gegenteil. Eigensinnige, zickige Diven, sagen sie. Da ich selbst zwei Fellknäuel zuhause hab, kann ich das nur sehr bedingt bestätigen. Klar, sie setzen sich weniger geduldig neben dich und wedeln mit dem Schwanz, wenn sie was wollen. Sie perforieren dir lieber das Polster der Esszimmerstühle oder des Sofas. Sie fordern, und sie wissen, wie man es erreicht, und das nicht mit großen Kulleraugen und Engelsgeduld. Nix da – jetzt, sofort und am besten gestern sollst du ihnen Futter und Beschäftigung geben. Aber: beide sind nun im Erwachsenenalter sehr anhänglich geworden. Gar ein bisschen hundehaft. Folgen mir (wenn sie wollen) auf´s Wort. Wenn nicht, dann bin ich doch nicht beleidigt und stecke sie bei Ungehorsam ins Käfiggetto. Geht´s noch???
Zum Käfig gibt es noch ein wenig Haue obendrauf. Man schüttelt sich verwundert bis kurz vor hundertachtzig, wenn die Prügel seitens der Polizisten auf Demonstranten noch bejubelt werden. Ich bin mal gespannt, wann die ersten Ultima Ratio-Parolen kommen. Ultima Ratio - Ihr wisst noch? AfD und Knarren an den Grenzen, um Flüchtlinge aufzuhalten? In Ahrweiler und Umgebung hat man da schon eine innerdeutsche Katastrophengrenze aufgebaut. Rein kommen nur die mit den richtigen Ausweisen und Beweisen aus Glitzerpapier. Ein feuchter Traum, der lange ausgetrocknet war.
Bei diesem Absperrkult wird mir die Idee der autonomen Selbstverwaltung immer sympathischer. Kommunale Befugnisse kann man locker mit direktester Demokratie gleichsetzen, und alles, was national bis global ist und unnötig erscheint, kann weg. Setzen wir doch dem mal Grenzen. Billigplastik aus China, annektierte Transportlogistik aus osteuropäischen Ländern, verstopfte Flusskanäle, Verwahrlosung ländlicher Gebiete durch Gentrifizierung, et cetera peh peh. Und dann soll kein König der Briten aufkreuzen, der von einer wässrigen Schlampe ein Zepter in die Hand gedrückt bekommt. Oder die Merkel-Raute machen. Und wenn wir nicht spuren, auf uns einzuprügeln. Hilfe! Hilfe! Wir werden unterdrückt! Wir dummen Bauern.
Die „dummen“ Bauern haben aber nun mal im Ahrtal das Zepter übernommen. Und tun das, was man von Politikern oder auch Journalisten gerne erwartet und selten erhält. Wir hätten es anderweitig vielleicht nicht bei einem Stürmchen auf den Reichstag belassen sollen. Wir hätten uns vielleicht in den Reichstag drängen sollen, auf den blauen Stühlen Platz nehmen und Politik machen sollen. Freundliche Übernahme quasi. Sorry, Merkel, sorry Spahn, sorry Lauterbach, sorry Brinkmann, sorry Tagesspiegel/-schau – wir übernehmen ab hier. Wir helfen, wir machen. Einfach so. Weil es nötig ist. Weil wir eine Diktatur brauchen, eine Kompetenzdiktatur. Und an der Ahr läuft gerade der erste, gelungene Feldversuch.
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