Zuerst eine Trauerminute.
Ich zeige Anteilnahme für die Opfer der Flutkatastrophe.
Vielleicht sollten das mal diejenigen beherzigen, die ihr Leben mit Nichtigkeiten füllen, mit Missgunst oder dem ständigen Streben, im Leben besser dazustehen als andere. Aus aktuellem Anlass muss ich mal wieder den Fingerheber spielen. Kein guter Texteinstieg vielleicht, wenn man auf Unterhaltung aus ist. Aber: Was raus muss, muss raus.
Wie die Missempfindung bei Politikern aussehen kann, passierte gerade in dem Augenblick, als ich die obigen Zeilen schrieb. Der Laschet-Lacher, der so unpassend war wie ein Hofnarr auf dem Schlachtfeld, zeigt diese allzu deutliche Diskrepanz zwischen dem Anliegen, den Sorgen und Nöte der Bürger und die ekelhafte Ignoranz derer, auf die man sich verlässt. Ich kotze Wasserfälle und Flutwellen, und ich schicke gerne mal einen echten Sturm auf das Reichstagsgebäude und nicht diese lasche „Oh mein Gott, da hat jemand den Reichstag schief angeguckt!“.
Den Zwitschervogel schießt Luisa Neubauer ab. Da geht sie mal für das Klima demonstrieren, twittert sie. Vielleicht hilft es ja in der Zukunft, dem Wettergott ein Schnippchen zu schlagen, dass er keine Starkregenattacken auf hochwassergefährdete Gebiete herabschickt. Dachte sie zumindest mal, weit, weit weg von angespülten Leichen und Tierkadavern, eingestürzten Häuserwänden, die die zerstörte Existenz wie ein Puppenhaus offen präsentiert. Alles zu viel Realität für die „german Greta“. Oder dass Versiegelung und Begradigung von Flussläufen Überschwemmungen begünstigt (hatte ich mal in der Schule gelernt, mal so angemerkt). Oder dass der Wetterdienst und Klimaexperten schon Tage vorher Bescheid wussten und Warnungen aussprachen. Oder dass vor Ort teils Hilfskonvois abgewiesen werden. Mädel, du musst echt zur Nachhilfe.
Der übliche Zirkus Corona geht derweilen weiter wie bisher. Wahlkampf, garniert mit Impfquoten – das „new normal“ ist wie das „old normal“, nur ein bisschen Arschloch-Vadder-mäßig. Also schon „very old normal“.
„Du impfst, was auf den Tisch kommt!“ oder „Du streckst deine Impfskepsis nicht unter meinem Tisch aus.“. Das sind die Papas des postfaktischen Zeitalters. Winfried und Markus sitzen dabei an ihren Fliesentischen und schauen Tagesschau, lesen Spiegel. Abends geht’s zum Zoom-Stammtisch, brav mit FFP2-Maske. Viren befallen auch Computer, das ist bekannt. Da muss man solidarisch sein, damit man sich und andere Geräte schützen kann. Karlchen warnt schon mal vor dem Kamineffekt über Wlan.
Die Heulbojen sind voll in ihrem Element, da überschlagen sich – wie letztes Jahr – die Erkenntnisse darüber, was gefühlt nicht gehört werden will und bisher unter dem Ladentisch verkauft wurde. So besuche ich regelmäßig meinen Filterblasenshop und kaufe mir verruchte Fakten und Meinungen ein. Den Stiko-Horror uncut, den neuen Gassen-Hauer oder Nackte Gesichter-Report (Teil 7). Die neue Wichsvorlage für alle Maßnahmenkritiker. Da fühlt man sich wieder jung, potent und rebellisch.
Parallel dazu werden Impf“anreize“ immer...äh... kreativer. Was früher die Masernpartys waren (heute völlig verpönt und durch eine Impfpflicht durchkreuzt, by the way), soll heute in unserem täglichen Leben angereizt werden. Ich stelle mir das wie eine Motto-Party in der Disco vor, den Vorschlag haben die üblichen Verdächtigen schneller ausgesprochen als sich Usain Bolt vom Start ins Ziel gebeamt hat. Als Sponsor wird dann nicht die Deutsche Bank eingeladen, die dir Broschüren in die Hand drückt, sondern das BGM, zu treibenden Techno-Klängen („Impf! Impf! Impf!“) werden auf dem Clubklo legale Spritzen feilgeboten. Danach noch ´ne Line für das Hochgefühl, und derart aufgeputscht geht’s zurück auf die Tanzfläche. Natürlich sind die Möglichkeiten viel gefächert - wer weiß, ob es bald beim Wanderverein statt einer Schnitzeljagd im Wald eine Spritzenjagd geben wird. Oder Flohmärkte mit Dart-Meisterschaften, bei den man mit Spritzen auf selbstgemalte Zielscheiben auf dem Oberarm wirft. Als Belohnung gibt es einen feuchten Händedruck von Jens Spahn.
Was letztlich an Warnungen und Impf“motivation“ bleibt, nehme ich im Moment nur noch schulterzuckend zur Kenntnis. Ich bin, muss ich mir eingestehen, ein bisschen ermattet. Wie nach einer strammen Wanderung, wo einem solche Gedanken nicht wichtig sind. Sie geraten in den Hintergrund, schweben zwischen den Sphären. Selbst wenn man will, gelingt es nicht, sich ihnen zu widmen. Aber es ist okay. Man darf auch mal keine Gedanken daran verschwenden, bevor der Eindruck entstünde, man wolle mit der Sache nichts mehr zu tun haben.
Ähnlich fühle ich über die Flutkatastrophe. Natürlich ist es schrecklich, wenn Menschen Leben, Hab und Gut verlieren, natürlich muss man helfen. Und das tun auch viele. Sind die anderen dadurch jetzt unsolidarisch? Nun, die Keule schwingt seit geraumer Zeit öfter über unseren Köpfen; auch das sorgt für einen Zustand der Ermattung. Selbst wenn ich ihnen nur meine Anteilnahme ausspreche, ist ihnen ein ganz klein wenig mehr geholfen, als „nur“ die Helfer, die vor Ort sind und anpacken. Aber was ist schlimmer? Meine Absicht, sich mal nicht zu kümmern? Oder diese Heuchelei wie oben beschrieben? Laschet-Lacher und FFF-Fail können sich, egal wie spinnefeind sie sich sind, ruhig die Hand reichen. Das kompensiert unsere sonst wandelnde Phrasenmaschine derart episch-dramatisch, dass er platzen müsste, um seine Anteilnahme durch seine herumfliegenden Körperteile ausdrücken zu können.
Und dann packt mich doch wieder ein wenig die Ironie in der Geschichte – das mit am schlimmsten betroffene Dorf heißt „Schuld“.
Treffender hätte man das Epizentrum der Flut wohl nicht in ein Wort packen können. Wenn man was für Ironie übrig hat. Da kreisen bei mir die Assoziationsketten. Macht Spaß. Und Spaß ist wahrscheinlich der beste Ratgeber gegen die Widrigkeiten wie Fluten und versteckte Impfzwänge. Das kann man auch Laschet zugestehen, selbst wenn man im öffentlichen Fokus nicht solch grenzdebile Lachattacken zur Schau stellen sollte.
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Cetzer (Dienstag, 20 Juli 2021 21:48)
"Den Zwitschervogel schießt Luisa Neubauer ab."
Weil ich ein schmutziger alter Mann bin, habe ich große Probleme, ein sooo niedliches Mädchen ernst zu nehmen, selbst wenn ihre Giftzähne (noch) nicht gezogen wurden.
"dass Versiegelung und Begradigung von Flussläufen Überschwemmungen begünstigt"
Irgendwo stand, dass auch die vollen Talsperren nichts aufnehmen konnten; Hochwasserschutz beißt sich mit Dürre-Vorsorge und Stromerzeugung. Vor etlichen Jahren las ich auf einer englischen Seite, dass bei vielen Talsperren/Stauseen die Planungen keine "Trade-offs" kennen, d.h. diese Wunderwerke gewährleisten gleichzeitig Hochwasserschutz, als wären sie leer, Dürre-Vorsorge und Stromerzeugung, als wären sie voll. Sowie 100% Tourismus, 100% Naturschutz, 100% Fischfang, 100% Wassersport usw. Natürlich können in so einem vielseitigen Meisterwerk auch jede Menge Politiker ertrinken...
"dass er platzen müsste, um seine Anteilnahme durch seine herumfliegenden Körperteile ausdrücken zu können."
Vielleicht sollte er sich nach Yakuza-Manier ein Stück vom kleinen Finger abschneiden, als Höhepunkt seines nächsten Wahlkampfauftrittes in Solingen?
Sascha (Mittwoch, 21 Juli 2021 06:33)
@Cetzer
Was Hochwasserschutz angeht, ist wahrscheinlich jeder Eingriff in die natürlichen Begebenheiten ein Risiko. Auch wenn ein Miniloch in der Decke langsam die Decke aufquillt, Holz sieht man gleich, Beton dauert. Und so ist das bei allem, nur dass wir die langsamen Prozesse lange nicht zur Kenntnis nehmen. Wo wir dann wieder bei "auf Sicht fahren" wären...