Die Politik ist im Moment zu unbeständig wie das diesjährige Sommerwetter. Da freust du dich auf Sonnenstunden, schaust auch noch ständig auf die Wetter-App, weil man am Wochenende was unternehmen will und den besseren Tag auswählt, weil da was von 12 Sonnenstunden steht. Bis kurz vor dem Wochenende hält das auch stand, doch am Tag der Abfahrt reibt man sich verwundert die Augen, weil mittags Regen gemeldet wird.
Anders ist es momentan im Politikbetrieb auch nicht. Da freut man sich auf sonnige Aussichten, dass mal jemand Lockerungen und Aufhebung von Beschränkungen fordert und das sogar noch im „Mäinstriehm“ Gehör findet, kommt wieder so eine Karluslauterbachus-Wolke mit Unwetterpotential am Himmel auf und faselt was von impfstoffresistenten Corona-Viren und Masseneinlieferung von Kindern in Krankenhäusern. Eigentlich ist es nicht wichtig, ob anschließend unser Panik-Kalle wegen eben jener Kindergeschichte zurückrudern muss. Mittlerweile erwartet man schon, dass er zeitnah mit der nächsten Lachnummer aufwartet (Lockdown verhängen, damit die Impfungen wirken... seufz... was haben wir bisher noch nicht gewürfelt in diesem Corona-D&D?). Unermüdlich, dieser T(h)or, und er scheint Spaß daran zu haben, Donner und Blitze auf uns zu entfachen. Schaden plus fünf.
So zwiespältig, wie sich Drosten und Lauterbach momentan präsentieren, scheint es wirklich die Blaupause für das Wetter gewesen zu sein. Ständig Schauer, die sich mit sonnigen Abschnitten abwechseln. Eine Unbeständigkeit, die mitunter sehr ermüdet. Man ist total fertig wegen der Luftdruckveränderungen, mal feucht, mal trocken, mal eine dicke Suppe stehender Luft, die bleiern in den Lungen liegt.
Ich will aber nicht nur meckern, denn ab und zu kommt ja eben die Sonne raus. Die mitteleuropäische Seele japst gleich, wenn das Thermometer zu hoch hinaus will. Bei der Überschreitung der Hitzeinzidenz von 24 Grad wird auch gleich die Klimatriage herbei orakelt (bei 30 plus X würde ich es noch nachvollziehen, weil Hitzewellen Tote fordern). Alles um uns herum ist in Lockerungslaune, nur hier geht noch die „German Angst“ um, Wetter kümmert dabei nicht. In manchen Dingen wird sich wohl nie was ändern, da können wir uns noch so sehr ein weltoffenes Image überpappen, wie wir wollen. Ich muss lachen, als ich kürzlich die ersten „Wir lockern dann bald mal“-Floskeln las, siehe Maas, siehe Ziemiak. Wenn ich das richtig deute, peilt man den Herbst an. Was ist im Herbst? Wahlen, Merkels Abgang. Endlich ist Mutti weg, dann ist sturmfreie Bude.
Von wegen. Direkt als Dämpfer schwurbelt unser Gesundheitsminister alles wieder weg – die Hoffnungen, die Aussichten. Lockerungen sind scheinbar für ihn und seinesgleichen nur noch eine Verschwörungstheorie. Spahn tut das, was er am besten kann: fachlich im Nebel stochern, das aber konsequent. Es erinnert mich fast eins zu eins an letztes Jahr, und es erinnert mich an so manche Unternehmenskultur – nicht die, die kompetent oder besonders feinfühlig sind, arbeiten sich nach oben. Nein, es sind die Platzhirsche. Also die, die sich zu verkaufen wissen. Die, die mit ihren Ellenbogen glänzen statt mit Wissen. Die, die Kompetente in den Wahnsinn treiben, weil jene noch logisch denken und gegen Unmengen von oben verordnete Logiklücken ankämpfen müssen.
Apropos Inkompetenz – der Wirbel um Annalena Baerbock nimmt kein Ende. Ich bin der Fehleinschätzung erlegen, dass es mit der kreativen Lebenslaufgestaltung nun genug wäre. Da wird nun der Giffey-Case übergreifend zum Baerbock-Fall - im wortwörtlichen Sinne, denn die Umfragewerte purzeln gerade um die Wette zu denen von Martin Schulz beim letzten Wahlkampf. Mir soll´s recht sein, mit dem Unterschied, dass ich Schulz für einen guten Politiker hielt und ziemlich niedergeschlagen war, als ihm Don Franz-Walter auf Schloss Bellevue ein Angebot unterbreitete, das Martin nicht ablehnen konnte. Grisu Baerbock hingegen will Feuerwehrfrau werden, scheut aber die Hitze und schreibt lieber (oder lässt schreiben, wer weiß das schon?) verträumte Worthülsen über eine Welt ohne Feuer. Wäre es nach ihr und ihresgleichen gegangen, hätte der Mensch wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen das Feuer nicht entdecken dürfen. Und Tom Hanks hätte heute noch Dünnpfiff von Kokosnüssen.
Mittlerweile ist es mir fast egal, wer uns regiert – Hauptsache, er/sie kennt die Welt da draußen und weiß auch damit umzugehen. Mit Symbolpolitik erreicht man das schon mal gar nicht. Dass dies ein Bumerang wird, haben Merkel und ihre jeweiligen Mitstreiter regelmäßig bewiesen. Da wurde Themenassimilation betrieben, als gebe es kein Morgen, und die sozialdemokratisierte CDU behielt dies lieber als Showeffekt bei, während die jeweiligen Ressortverantwortlichen hinter den Kulissen die Weichen heimlich anders stellten. Ich erwähne das so gerne, weil ihr sechzehn Jahre lang zu viele auf den Leim gekrochen sind und sich freiwillig, ohne kritischen Blick, ihr eigenes Gefängnis selbst gebaut haben.
Momentan sieht es eher nach Hofgang, ja vielleicht sogar echtem Ausgang aus. Doch sind wir solch brave Insassen – wir kennen die Regeln und befolgen sie mit Wonne. Mit uns haben die Wärter und der Staat wahrlich kein Problem. Die wissen, dass wir abends wieder an der Zellentür stehen und rein wollen. Draußen ist das Wetter auch schlicht zu unangenehm, draußen eigenverantwortlich leben, wohnen, sein – das ist viel zu anstrengend und voller Risiken. Das Lauterbach-Unwetter wird auch schon dafür sorgen, dass wir da wieder hin wollen. Wohnen kann man auch in einer Zelle, dazu gibt es drei Mahlzeiten und ein bisschen Arbeit gegen die Langeweile. Der Staat sorgt doch gut für uns, warum sollte man das ändern?
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Sascha (Samstag, 10 Juli 2021 20:16)
Noch eine Anmerkung an den Kommentator, den ich gelöscht habe:
Wer nichts zur Sache beizutragen und nicht besseres zu tun hat, als mit übelsten Begriffen hier Menschen zu verunglimpfen, wird konsequent entfernt. Darfst dich gerne in deine Twitter- und Meinungsblase begeben und dort weiterätzen.
Cetzer (Samstag, 10 Juli 2021 20:27)
"Der Staat sorgt doch gut für uns"
Das ist sogar ein unumstößliches Naturgesetz, wie Richard David Precht (Powered by Propaganda-Steuer) in einem unvergesslichen Halmonoperidolog von 42 Minuten Kürze bewiesen hat.
Sascha (Samstag, 10 Juli 2021 21:10)
@Cetzer
Bei Precht ist es so wie mit allen, die man vorher als okaye Denker oder sonstige öffentlichen Personen wahrgenommen hatte. Schalter um-klick-umgepolt. Völlig aus der Spur. Oder in der Spur, wenn man mal beachtet werden will.