Die Woche habe ich mir zur Entspannung „The King´s Speech“ angesehen. Toller Arthouse-Streifen mit top Darstellern, zurecht oscarprämiert. Auch da ging es um Doktortitel. Kurz vor dem grande Finale fiel noch ein Stolperstein auf den Pfad zur lebenslangen Freundschaft zwischen den Protagonisten, den (klar, wer sonst?) ein schleimiger Erzbischof hinein geworfen hatte. Letztlich war es ein Sturm im Wasserglas, weil der Sprachtherapeut von George VI. sich nie zum Doktor ernannt hatte. Missverständnis, Thema erledigt, Happy End.
Was Deutschland so mit seinen Doktortiteln verzapft, ist eine andere Geschichte. Mein lieber Schavan, das kostet schon mal Amt und Würde! Jetzt hat es auch noch Franziska Giffey erwischt, und ich frage mich oft, was das für einen Unterschied macht, ob da nun Frau Doktor steht oder nicht. Wenn wir schon Glaubwürdigkeitsprobleme benennen wollen, schielt man doch gerne mal an ihr vorbei zu Ministerkollege Scheuer. Der sitzt bekanntlich immer noch auf seinem Stuhl und darf im Gesundheitsressort ein bisschen taskforcen. May the force be with him, nur irgendwie hört man von ihm kaum noch etwas.
Dafür um so mehr von Annalena. Da musste kürzlich ein wenig an ihrem Lebenslauf geschraubt werden, und auch eine Nebeneinkunft wurde „nachgereicht“. Ups, vergessen. Kann ja mal passieren. Sagen alle (Achtung: zweideutig!) linken Medien und Rote-Teppich-Ausroller im Netz, die Annalena im vorauseilenden Gehorsam schon mal die Krone putzen. Thema erledigt - Happy End? Auch jetzt werden sie nicht müde, jeden Stolperstein aus dem Weg zu räumen, der Baerbock in den Weg geschmissen wird. Doktor, nicht Doktor, Abschluss oder keiner, ein paar Kröten in der Couchritze, alles halb so wild, und alle, die darüber die Stirn runzeln, sind doch alles Hater und müssen auch sogleich gefaktencheckt werden. Und – Überraschung!! - natürlich alles erstunken und erlogen, was da über ihre Annalena in die Welt gesetzt wird. Gezeichnet: Thomas L. von einem dieser Faktencheckerportale.
Mittlerweile trieft schon der grüne Schleim durch die Ritzen der hippen Altbausiedlungen im/in Prenzlauer Berg und sich Bettdecken zu kleinen Hügeln erheben. Vielleicht wird der Sommer 2021 das Jahr der Hamsterkäufe von Tempo-Taschentüchern. In diesem Identitätskampf gibt man sich wirklich viel Mühe, eine Frau im Kanzler*innenamt zu behalten, dabei ist die Alterstoleranz doch ein wenig unflexibel. Annalena ist 40, und damit noch nicht über den Aussehenszenit hinaus, ab wann ältere Damen erfolglos ihre Krähenfüße überspachteln. Da im Moment so viel über ihre Ausbildung gestritten wird, fasse ich diese Folge GZSZ mehr oder weniger als die Einführung einer neuen Figur auf, die bei den Etablierten durch ihre pure Präsenz eingefahrene Routine durcheinander bringt. Die sieht „megagut aus“, eine junge Wilde, die … nun: was kann die eigentlich? Diese Frage stelle ich mir schon seit sie die politische Bühne gefotobombt hat. In der Endlos-Soap ist das übrigens ähnlich, wo man gefühlt achtzig Prozent der Szenen in Büros gedreht hat und die aus statischen Dialogen bestehen.
Natürlich macht es keinen Sinn, die jüngere Generation dafür zu rügen, dass sie nicht zur Geltung kommt, wenn die Alten so an ihren Posten kleben. Die Babyboomer machen noch ein letztes Mal mobil, bevor sie in der Kiste liegen. Doch was kommt danach? Die Millenials, Unternehmerjünglinge – die schon bei den Amis durch eher dummdreistes Geschäftsgebaren auffallen und alle Errungenschaften in den Wind schießen, die gesamtgesellschaftlich für Wohlstand sorgten. Uber, Tesla, Amazon und wie sie alle heißen – welche so monströs viel Geld scheffeln; sie alle nehmen es nicht so genau mit Sicherheitsbestimmungen und Gleichbehandlung oder sozialer Absicherung von Arbeitskräften, die ackern für Hungerlöhne, da lachen fast schon die Schwarzafrikaner in Dritte-Welt-Staaten drüber. Auch die hiesige Generation Erben fällt nicht selten auf, dass sie jedes Recht und Gesetz am liebsten in den Wind schießen würde, natürlich zugunsten des eigenen Vorteils. Ab hier werden mein Humorzentrum und meine Ironiefähigkeit schnell stumm geschaltet. Nein, nicht mehr witzig. Da lobe ich mir die Aufrichtigkeit von „Bertie“, dem Vater der heutigen Queen Elisabeth II., der trotz seiner monarchischen Herkunft ein bodenständiger und empathischer Königsoberhaupt gewesen war.
Dazu auch Albert Einstein:
„Persönlichkeiten werden nicht durch schöne Reden geformt, sondern durch Arbeit und eigene Leistung.“
Der Unterschied zwischen Giffey und Baerbock lässt sich gut aus diesem Zitat herausfiltern. Giffey hat wenigstens schon was auf die Beine gestellt, da brauchen wir gar keine Geschlechterdebatten oder Standortbestimmungen über den Wert ihrer Dissertation zu führen. Bei Baerbock hingegen muss scheinbar erst alles plakatiert werden, ein Image aufgebaut, das nicht auf Lebensleistungen zurückgreifen kann. Ergo: was kümmert mich ein Doktortitel? Mein Hausarzt hat auch keinen, und trotzdem vertraue ich ihm. Da steht nämlich auch nicht „Doktor“ auf dem Klingelschild wie im Fall des Sprachtherapeuten König George des VI. Wäre übrigens der grünen Spitzenkandidatin auch zu empfehlen...
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