Dass Menschen suchtanfällig sein können, dürfte allgemein bekannt sein. Alkohol kann bei übertriebenem Konsum zu einer körperlichen, andere Stoffe zur psychischen Abhängigkeit führen. Ferner können Dinge oder Situationen abhängig machen, sei es das Hobby, die Nutzung von sozialen Medien oder die Macht.
Bei Angela Merkel beschlich sich lange das Gefühl, als wäre ihre andauernde Kanzlerschaft für sie selbst ein Akt von Routine. Sie ist für ihren allgemein bräsigen Regierungsstil bekannt, wirkt wenig emotional, zurückgezogen, abschätzend, keine offene Verfechterin ihrer eigenen Machtposition. Medial wurde sie dafür in der Vergangenheit reichlich kritisiert, da sie im Gegensatz zu einem Gerhard Schröder Ruhe ausstrahlte, andere nannten es Einschläferungstaktik. Erst mit ihrer eindeutigen Positionierung polarisierte sich schließlich die Bürgermeinung und hat so, scheinbar ungewollt, einen Spaltungseffekt befeuert. Und so ein völlig widersprüchliches Bild zeichnet, was mit der Gesundheitskrise einen wahnhaften Anstrich bekommen hat.
Regieren durch die Hintertür
Dass sie mehr oder weniger direkt, konträr zur Parteilinie, Flüchtlinge willkommen hieß und so beim Reizthema Öl ins Feuer goss, will niemand so recht zugeben. Die Aggression, die sich in Wählerstimmen für die AfD zeigte, ist eine direkte Konsequenz aus Merkels Positionierung für die unkontrollierte Einwanderung und somit eine Zäsur in der Neugestaltung der Parteienlandschaft, wo man sich ungeniert bei Kernthemen anderer Parteien bedienen und Wähler abgreifen darf und damit auch den Konkurrenten das Wasser abgräbt. Heute weiß die SPD durch ihren Selbstverrat durch Schröder und seiner Agenda 2010 nicht mehr zu punkten und kann sich nur noch über ihre Gnadenbeteiligung an Regierungsämtern über Wasser halten.
Auch bei den Grünen wurde kräftig zugegriffen, als mit dem Tsunami vor Fukushima eine Umweltkrise losbrach und Merkel, erstmals emotional ergriffen, einen überraschenden Einblick in ihr inneres Wesen gab. Die Grünen mussten umdenken, als Merkel die Katastrophe zur Chefsache erklärte, und nahmen ihrerseits Positionen ein, die bei der CDU als Themenvakuum plötzlich brach lagen. In dieser Entwicklung ist es nur konsequent, dass heute eine schwarz-grüne Koalition am wahrscheinlichsten geworden ist.
Es entstand der Eindruck, als wäre sich Merkel selbst nicht sicher, ob sie mit ihren „echten“ Entscheidungen zufrieden gewesen wäre oder gar getrieben von der heimischen Zerrissenheit Aktionismus betrieb. In der Flüchtlingsfrage verhandelte sie später lieber mit den Transitstaaten um die Zurückhaltung von Flüchtlingen auf dem schwarzen Kontinenten, denn zur ihrer „Wir schaffen das“-Doktrin zu stehen. Dazu war sie sich auch nicht zu schade, mit zweifelhaften Milizenführern zu sprechen – Hauptsache, sie erfüllen ihren Zweck. Despoten wie Erdogan haben ferner ein mächtiges Druckmittel in der Hinterhand, die nur mit Geld und Vergünstigungen besänftigt werden konnten.
Ein selektives Sorry
Und nun Corona.
Es war anzunehmen, dass Merkel als Krisenmanagerin einen ähnlichen Weg verfolgen würde. Doch da die Pandemie globale Ausmaße annahm, war auch davon auszugehen, dass ihre emotionale Reaktion weitaus stärker ausfiele. Sie hat, Stand heute, meine Erwartungen voll erfüllt – ja, gar meilenweit übertroffen. Doch auch hier muss man aufmerksam sein, ihre Politik als Ganzes einzuordnen. Wie auch sonst hält sie sich in ereignisarmen Phasen aus der Öffentlichkeit fern. Sie tritt lediglich in Konferenzen, im Bundestag oder bei Verlautbarungen vor die Kamera. Doch wenn, dann dokumentieren Berichte regelmäßig darüber, welchen Gefühlszustand die Kanzlerin jeweils transportiert. Sie ärgert sich, ist zutiefst erschüttert, oder einfach zynisch, wenn sie indirekt von Impfprivilegien spricht.
Mit ihrer Krise Nummer 3 scheint nun dieses Spektrum von höchster Besorgnis bis größter Enttäuschung zu reichen. Und immer hallt das Narrativ nach, wieso das so sei – Virusmutante, die Länder hielten sich nicht an Absprachen, im Grunde wenige Argumente, die jedoch starke Folgen nach sich ziehen. Der Gipfel der Gefühlsduselei war endgültig erreicht, als sie ihren Mini-Osterlockdown zurücknehmen musste und sich umgehend dafür entschuldigte, dass dieser auf die Schnelle nicht durchsetzbar war.
Man kann, je nach Deutung im Umgang mit dem Virus, ihre Entschuldigung zweierlei interpretieren. Die NoCovid-Fraktion honorierte es umgehend als menschlich, die Kritiker zuckten nur die Schultern. Nun leiden viele Kleinunternehmer unter der Last der verordneten Ladenschließung, Menschen zeigen unter der Last des Lockdown Verhaltensauffälligkeiten, die Psychiatrie verzeichnet einen steilen Zuwachs an Patienten. Die häusliche Gewalt nimmt zu, Alkohol- und Drogenmissbrauch ebenso.
Wo bleibt da ihre adäquate Entschuldigung? Es wird deutlich, dass sich Merkel nur im Dienste derer sieht, die das Virus ausrotten wollen und entschuldigt sich nur in diese Richtung – dass Restriktionen aus bürokratischen Gründen nicht durchsetzbar sind. Ihr scheint unwichtig, dass sie gerade Existenzängste schürt, die geistige und körperliche Unversehrtheit bedroht oder die kollektive Wegsperrung der Bürger für das Wohl bestimmter Risikogruppen erzwingen will.
Im Wahn der Wahrscheinlichkeiten
Die Durchhalteparolen fußen heute auf wackeligen Zahlenkonstrukten und der bloßen Anwesenheit einer Virusmutante, die entgegen aller apokalypischen Schwarzmalereien ihren Schrecken verliert. Nun zeigt sich, kurz nach Ostern, eine angespannte Gemengelage, in der Merkel nach ihrem Feiertagsaussetzer andere Saiten aufziehen will. Die Entmachtung der Länder und dem Parlament steht bevor, der sich eher liest wie eine Trotzschrift gegen den zivilen Ungehorsam denn wie eine nachvollziehbare Intervention zum Schutz der Gesundheit. Ganz nebenbei hebelt das Notstandsgesetz die Grundpfeiler des demokratischen Nachkriegsdeutschlands aus – zeitweise nur, aber in dieser bisherigen und zu erwartenden Endlosschleife von Beschränkungen einschneidender denn je.
Ich will der Kanzlerin nicht unterstellen, dass sie hier einen geplanten Umbau unternimmt. Ich unterstelle ihr aber eine Scheuklappensicht auf die offensichtliche Bedrohungslage, dass sie sich durch ihre Berater mit ihren „Wir brauchen Lockdown“-Phrasen hat bequatschen lassen und die Modellrechnungen mit ihren „Was wäre, wenn...“-Kurven ein lediglich theoretisches Untergangsszenario zeichnet – Querdenken unter anderen Motiven. Man könnte annehmen, Merkel wäre angefixt vom Gefühl der Angst und Stichworten wie „exponentiell“ oder „Triage“.
Massenrausch
So schlecht Alkohol für den eigenen Körper sein kann, so kann wohl auch Angst in eine Spirale führen, die zum Alltag gehört wie eine regelmäßige Vitaminzufuhr – so kann auch die Hormonproduktion von Angst zur Gewohnheit werden, die man, ihr dauerhaft ausgesetzt, dringend wieder zugeführt werden soll; ein omnipräsentes Paradoxon, das irgendwann in der Psyche des/der Betroffenen akzeptiert wird.
Anders als die Opioid-Krise in den USA werden keine Schmerzen gelindert, sondern aufrecht erhalten. Ein solcher Selbstgeißelungseffekt innerhalb einer Sekte würde wohl niemanden tangieren, als tonangebende Machtspitze kann es hingegen niemanden kalt lassen. Jeder Vernunft- und Besonnenheitsmensch sieht sich plötzlich dem Duktus der Süchtigen ausgesetzt. Es ist die Modedroge unter führender Begleitung der Lifestyle-Linken geworden, die momentan jede Nüchternheit vermissen lassen und jedes Zehntel Inzidenzanstieg wie das Ticken einer Zeitbombe wahrnehmen.
Nun kann man noch so oft erwähnen, dass Alkohol bei übermäßigem und nachhaltigen Genuss schlecht für den Konsumenten ist – die Reaktionen der NoCovid-Jünger sind von denen eines Alkoholikers kaum zu unterscheiden. Vom Ignorieren bis zur aggressiven Widerrede dürfte alles als Reaktion von Kritik vertreten sein, und wenn die Obersüchtigen in den Schaltzentren der Macht sitzen, darf man gar ungeniert denunzieren und anderen den schädlichen Konsum aufzwingen. Somit haben Staat und Gesellschaft nach einem Jahr exzessiven Angstmissbrauchs eine kollektive Abhängigkeit entwickelt, die in einer Konstellation der Mehrheit fatale Auswirkungen mit sich gebracht haben.
Das alles wäre zu verkraften gewesen, wenn die Medien nicht noch dankbar auf solchen Partys herumgelungert wären. Merkels Angebot schien zu verlockend gewesen zu sein, ist sie doch zur überzeugenden Suchtmutti mutiert, die bei jeder Krise in tiefe Depression verfällt und ihre Sorgen irgendwie betäuben will. Sie und ihre Fixerclique sitzen nur leider nicht in berüchtigten Bahnhofsvierteln, wo man lieber schnell an ihnen vorbeiläuft, sondern im Kanzleramt und im Bundestag. Von wo sie nun ihre Spritzen in der Bevölkerung verteilen und uns dem Gruppenzwang unterwerfen, sie zu benutzen. Es bleibt uns nur noch übrig, deren Niedergang zu bezeugen und zu hoffen, dass wir nicht deren und unser aller Abstieg aktiv unterstützen sollen. Was leider nicht so einfach ist, zu viele sind schon darauf eingestiegen.
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